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Keine Spekulationssteuer bei Immobiliennutzung zu eigenen Zwecken

 

Wer Immobilien innerhalb des früher „Spekulationsfrist“ genannten Zeitraums von 10 Jahren veräußert, muß den dabei entstehenden Gewinn versteuern, § 23 EStG. Gewinn ist die Unterschieds-betrag zwischen dem Veräußerungspreis und den Anschaffungs- oder Herstellungs-kosten. Wurde die Immobilie nach dem 31.07.1995 angeschafft, mindern die bei einer Einkünfteermittlung in Anspruch genommenen Abschreibungen die Anschaffungs- / Herstellungskosten, sprich sie erhöhen den Gewinn.

Keine „Spekulationssteuer“ fällt an, falls die Immobilie im Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Gleiches gilt auch, falls die Immobilie im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohn-zwecken genutzt wurde; § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Die "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" setzt voraus, daß die Immobilie vom Steuerpflichtigen (allein oder gemeinsam mit Angehörigen oder Dritten) bewohnt wird. Auch eine Nutzung als Zweit- oder (nicht zur Vermietung bestimmte) Ferien-wohnung ist ausreichend (BFH, Urteil v. 27.6.2017, IX R 37/16).

Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken kann aber auch so erfolgen, daß man die Immobilie eigenen Kindern, für die man Anspruch auf Kindergeld oder einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG hat, unentgeltlich zu Wohnzwecken überlässt (BFH, Urteil v. 26.1.1994, X R 94/91).

Nicht ganz zweifelsfrei ist die Frage, ob mit der gesetzlichen Formulierung im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren“ gemeint ist, daß im ersten Jahr dieses Zeitraumes, die Immobilie vollständig zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sein muß. Das Finanzgericht München hat dies kürzlich erfreulich steuerzahlerfreundlich entschieden (FG München, Urteil vom 11.07.2017, 12 K 796/14). Nach dieser Entscheidung reicht es zeitlich aus, „wenn auch nur ein Teil des zweiten vorangegangenen Jahres die Eigennutzung vorliegt“. Im entschiedenen Fall hatten die Kläger nur deshalb verloren, weil sie offensichtlich das Beste aus mehreren Welten gleichzeitig wollten. Im Münchner Fall war eine Wohnung nämlich an die Kinder entgeltlich vermietet. Man wollte also vermutlich Verluste aus Vermietung und Verpachtung realisieren und gleichzeitig die Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für sich in Anspruch nehmen. Das war dann dem Gericht wohl etwas zuviel. Diese positive Lesart des FG München wurde übrigens vom BFH kürzlich ebenso gesehen (BFH, Urteil vom 27.06.2017, IX R 37/16).

Wer also eine seit Jahren fremdvermiete Wohnung womöglich bei der derzeitigen Marktlage mit erheblichem Gewinn veräußern will, sollte diese Gestaltungsmöglichkeit in Erwägung ziehen.

 

 

Vorsicht bei Beendigung eines Gesellschaftsverhältnisses

 

Daß das deutsche Steuerrecht etwas für Freunde des gespaltenen Haares ist, ist hinlänglich bekannt. Daß es aber auch die Steuerpflichtigen und ihre Berater immer wieder zwingt, um mehrere Ecken zu denken, zeigt wieder einmal ein jüngst veröffentlichtes Urteil des Finanzgerichts München. Das FG (Urteil vom 13.03.2017, Az. 7 K 1767/15) hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Eine GmbH hatte ab 2002 u.a. einen Gesellschafter G, der auch ihr Angestellter war. Wegen der angespannten Finanzverhältnisse verzichtete G auf Gehaltszahlungen. Gleichwohl erhielt er von der GmbH von 2003 bis 2006 unbefristete, verzinsliche Darlehen. In 2009 schied G aus der Gesellschaft aus. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH bestanden fort. In 2011 erließ die GmbH dem G etwa die Hälfte der ausstehenden Darlehen nebst Zinsen. Die GmbH verbuchte in 2011 einen entsprechenden Verlust. Das Finanzamt sah den Vorgang als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an, d.h. der Betriebsausgabenabzug bei der GmbH wurde rückgängig gemacht und G durfte die vGA versteuern. Dem folget das FG München. Es führte aus, eine vGA liege vor, wenn die GmbH ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte. Dies gelte auch beim Verzicht auf die Rückzahlung von ihren Gesellschaftern gewährten Darlehen. Insoweit eigentlich nichts Neues. Aber: „Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass G wegen der Veräußerung seiner Anteile mit notarieller Urkunde vom 17. Dezember 2009 im Zeitpunkt des Forderungsverzichts am 31. Januar 2011 keine ihr „nahestehende Person” mehr gewesen sei und die Voraussetzungen für das Vorliegen einer vGA deswegen nicht gegeben seien.“  Sofern die Leistungen der GmbH auf einem „rechtzeitig geschlossenen” Vertrag beruhten, sei für die Frage der Annahme einer vGA grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen.

 

Der Fall zeigt, was so alles schief laufen kann. Gehaltsverzichte sind nachvollziehbar, aber oftmals steuerlich suboptimal. Das die damit einhergehende beliebte Darlehensgewährung zu künftigen Problemen führen kann, zeigt dieser Fall ebenfalls. Schließlich war der Forderungsverzicht der GmbH ein durchaus probates Mittel, daß aber im konkreten Fall ungenügend begründet war. Entscheidend aber ist, daß das FG darauf hinweist, daß auch das Ausscheiden aus einer GmbH nicht davor schützt, mit vGAen überzogen zu werden, wenn nur die rechtliche Grundlage zu Zeiten gelegt wurde, zu denen die Gesellschafterstellung noch bestand. Dies zwingt dazu, künftig bei der Übertragung von GmbH-Anteilen noch genauer auf Altlasten zu achten. Dies gilt auch für die Erwerber der Anteile.

 

 

Tapezieren als Herstellungskosten

 

Wegen der vielen Unklarheiten ist das Thema der anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) eine beliebte Spielwiese der steuerlichen Beratung. § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG definiert Baumaßnahmen, die der Sache nach zu den sofort abzugsfähigen Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen an Gebäuden gehören würden,  in Herstellungskosten um, die sich steuerlich nur über die AfA auswirken. Voraussetzung ist, daß die Summe aller solcher Kosten, die innerhalb von drei Jahren nach Erwerb einer Immobilie anfallen, den Satz von 15 % der Gebäudeanschaffungskosten übersteigen. Der durchaus nachvollziehbare gesetzgeberische Ansatz ist der, daß jemand, der eine Immobilie in gutem Zustand - und damit teurer - erwirbt, steuerlich nicht schlechter gestellt sein soll, als jemand, der eine Ruine erwirbt und diese dann - steuerlich gefördert - in einen zeitgemäßen Zustand verbringt. Nur wie es halt mit solchen rationalen Ansätzen ist, geraten sie in die Mühlen der Steuermaximierung, wird ihr Anwendungsbereich sukzessive ausgeweitet. So auch hier. Ein paar Beispiele: Werden Baumaßnahmen innerhalb der Drei-Jahres-Frist begonnen, aber erst danach beendet, so unterfällt der innerhalb der drei Jahre erbrachte Teil der Baumaßnahmen dem Abzugsverbot. Klassische Erhaltungsaufwendungen an Immobilien, z.B. Wartungsarbeiten an der Heizung, fallen an sich nicht unter die Begrenzung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG. Aber die Grenze zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand ist, vorsichtig ausgedrückt, fließend. Die Neigung der Finanzverwaltung, daher auch Erhaltungsaufwendungen möglichst dem Herstellungsaufwand und damit der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG zuzuordnen, ist unübersehbar. Lange Zeit war strittig, ob Schönheitsreparaturen auch unter diese Vorschrift fallen. Der Bundesfinanzhof hat sich nunmehr dazu entschlossen, auch das Tapezieren und Malern einer erworbenen Immobilie unter die anschaffungsnahen Erhaltungsaufwendungen zu subsummieren (Urteile vom 14.06.2016, Az. IX R 25/14, IX R 15/15 und IX R 22/15). Der Bundesminister der Finanzen ist dem natürlich sofort gefolgt (BMF-Schreiben vom 20.10.2017). Die Verwaltung läßt die Anwendung der alten Rechtslage danach nur noch für Kaufverträge zu, die vor dem 01.01.2017 geschlossen wurden. Das alles kann man für richtig halten, muß man aber nicht. Wenn jetzt selbst das Tapezieren einer erworbenen Wohnung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen kann, muß man künftig, bei Erwerb einer zu vermietenden Wohnung oder eines Hauses, bei steuerlichen Überlegungen mehr als bisher § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG berücksichtigen. Man ist sonst schnell in der Gefahr, sich steuerlich „reich zu rechnen“.

 

 

Steuervermeidung vs. Steuerumgehung


Das Prinzip, daß jeder Steuerpflichtige das Recht hat, seine Verhältnisse so zu ordnen, daß dies zu einer möglichst geringen Steuerbelastung führt, wird nicht nur vom Bundesverfassungsgericht, sondern sogar vom Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung hochgehalten. Wenn es dann aber konkret wird und die gewählte Gestaltung der Verhältnisse tatsächlich zu einer Steuerersparnis führt, wird von Verwaltung und Finanzgerichten gern die Keule des Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 Abgabenordnung – AO –) geschwungen. 
Ein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn eine wirksame, insbes. zivilrechtliche, Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten Ziels bzw. gemessen an dem erstrebten Erfolg unangemessen ist. Bei Wahl der vermeintlich angemessenen Gestaltung wäre – was sonst – eine höhere Steuerlast entstanden. Was unangemessen ist, entscheiden Verwaltung und Gerichte gern vom Ergebnis, sprich von der steuerlichen Auswirkung, her. Ein schönes Beispiel ist das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2016 (Az. 2 K 2395/15): Die Aufsichtsrätin einer nicht börsennotierten AG verfügte über Aktien eben dieser AG. Sie schenkte diese ihren beiden minderjährigen Töchtern. Die Töchter, vertreten durch die Mutter, veräußerten die Aktien kurz darauf und erzielten einen Veräußerungsgewinn, der ihnen zufloß und den sie versteuerten. Das zuständige Finanzamt stellte fest, daß der fiskalische Effekt ungleich höher wäre, falls die Mutter den Gewinn versteuern würde. Die Übertragung auf die Töchter wurde flugs zum Gestaltungsmißbrauch erklärt. Dem folgte das Finanzgericht in bester, lupenreiner Fiskalrechtsprechung. Ziel sei ja gewesen, die Aktien zu veräußern und den Erlös den Kindern zukommen zu lassen. „Dies wäre ganz einfach dadurch zu verwirklichen gewesen, dass die Klägerin die besagten vier Anteile selbst veräußerte und den Erlös auf die Konten der Kinder transferierte.“ Stimmt. Aber die Klägerin hat eine andere zulässige Gestaltung gewählt. Warum dies ein „Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten“ sein soll, erschließt sich mir aus dem Urteil nicht. Hier zeigt sich, was der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit noch Wert ist, wenn es konkret wird. In jedem Fall ist bei ähnlichen Konstruktionen immer darauf zu achten, darlegen zu können, warum man eine Gestaltung gewählt hat. Spätestens, wenn das Finanzamt nach den Gründen einer Gestaltung fragt, muß das Alarmglöckchen klingeln. Daß der (alleinige) Grund nicht das angeblich legitime Streben nach Steuerersparnis sein darf, zeigt das Urteil des FG deutlich. Es ist also jeweils postfiskalische Argumentation und Erfahrung gefragt. 

 

 

Neues aus dem Gruselkabinett

 

Wenn es politisch heikel wird, pflegt sich ja unser politisches Personal immer häufiger für inkompetent zu erklären. Man denke nur an die lichtvollen Ausführungen der Dame im Kanzleramt zur Unmöglichkeit des Schutzes unserer Außengrenzen. Geht es darum, am gläsernen Bürger zu basteln oder demselben immer tiefer in die Tasche zu greifen, ist von solchem Unvermögen wenig zu spüren. Bewiesen wurde dies jüngst mit einem Paket von Maßnahmen, die am 24.06.2017 mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz verkündet wurden. Hier eine kleine Auswahl:

§ 30 a Abgabenordnung (AO) wurde aufgehoben. Damit wurden die letzten Reste des Bankgeheimnisses beseitigt. Banken können sich nicht mehr auf das Vertrauensverhältnis den Kunden gegenüber beziehen und sind jetzt normale steuerliche Auskunftspersonen. Zudem wurden den Banken diverse neue Pflichten, z.B. der Legitimationsprüfung, auferlegt.

§ 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 AO n. F. erweitert die Mitteilungspflichten der Steuerpflichtigen, wenn diese alleine oder zusammen mit nahe stehenden Personen erstmals unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss auf die gesellschaftsrechtlichen, finanziellen oder geschäftlichen Angelegenheiten einer Drittstaat-Gesellschaft ausüben können.

Der neue § 138b AOverpflichtet Finanzinstitute zu Mitteilungen an Finanzbehörden, wenn durch ihre Unterstützung inländische Steuerpflichtige beherrschende oder bestimmende Geschäftsbeziehungen zu Drittstaat-Gesellschaften i.S. des § 138 Abs. 3 AO n. F. erlangt haben.

Geändert wurden auch die Strafvorschriften:ein besonders schwerer Fall einer Steuerhinterziehung liegt künftig auch dann vor, wenn ein Steuerpflichtiger eine Drittstaat-Gesellschaft, auf die er alleine oder zusammen mit nahe stehenden Personen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 AO n. F.). In diesem Fall gilt auch die auf zehn Jahre verlängerte Strafverfolgungsfrist.

Bürger und Unternehmen werden immer neue Pflichten auferlegt, bei deren Nichtbeachtung natürlich die üblichen Strafen angedroht werden. Künftig gerne auch grenzüberschreitend. Vielleich hat die Kanzlerin ja an diese Grenzen gedacht, als sie über fehlende Absicherungsmöglichkeiten schwadronierte.

 

 

Mit einem Bein im Knast


Und wie immer wird wohl das angebliche Streben nach Steuergerechtigkeit dafür herhalten müssen, wenn die europäische Kommission, wie kürzlich angekündigt, Rechtsanwälte, Banker und Wirtschaftsprüfer künftig in die Pflicht nehmen will, den Finanzbehörden "potentiell aggressive Steuerdeals“ zu melden. Keine Ahnung, was ein „aggressiver Steuerdeal“ sein soll, noch dazu „potentiell“. Aber man ahnt die Richtung und ist verstimmt. Berater von Steuerzahlern sollen also verpflichtet werden, gegen die Mandanteninteressen zu handeln und steuerliche Gestaltungen, von denen sie – womöglich im vertraulichen Mandantengespräch – erfahren haben, der Finanzverwaltung anzuzeigen, falls denn nur diese Gestaltung „potentiell aggressiv“ sein könnte, also womöglich irgendwann, irgendwie beim Fiskus nicht zum gewünschten Ergebnis einer Steuermaximierung führt. Für Verstöße gegen diese Denunziationspflicht sollen hohe Strafen ausgelobt werden. Denn die machen die geplanten Regelungen ja erst richtig griffig. Berater sollen einem permanenten Kriminalisierungsdruck ausgesetzt werden; sie sollen ihre Mandanten anschwärzen, noch besser aber gar nicht erst auf den Gedanken kommen, sich „potentiell aggressive Steuerdeals“ einfallen zu lassen. Der Druck ist umso größer, je schwammiger die Vorschriften formuliert sind. Exzessive Auslegungen durch gefügige Gerichte tun dann ein Übriges.

Als Jurist, der Begriffe wie „Legalitätsprinzip“, „Grundrechte“ und „Steuerverwaltung als Eingriffsverwaltung“ für den Rechtsstaat immanent hält, ist einem die Gefahr dieser Entwicklung offenbar. Datenverknüpfung der Finanzverwaltungen, Bargeldabschaffung und gefügsame Berater. Was kann dem Fiskus Besseres passieren? Einen guten Teil dieses Weges sind wir schon gegangen. Bereits heute gefallen sich viele Berater in vorauseilendem Gehorsam. Wenn „guter Berater“ zum Synonym wird für „es hat keine Probleme mit dem Finanzamt gegeben“, dann stimmt offensichtlich etwas nicht mehr.

Angesichts der ganz großen Koalition der Fiskalpolitiker, müssen wir uns auf weitere rechtsstaatliche Einschnitte beim Steuerrecht einstellen. Besser gesagt, wir können nur hoffen, daß von diesem überhaupt noch etwas übrig bleibt.

 

 

Steuerstundungsmodell - das unbekannte Wese

 

Man gibt sich ja schon ein wenig der Lächerlichkeit preis, wenn man in der aktuellen steuerrechtlichtlichen Realität daran erinnert, daß Steuerverwaltung Eingriffsverwaltung ist. Nicht der Bürger muß sich dafür rechtfertigen, daß er sein Geld für sich behalten will, sondern der Fiskus muß begründen, auf welcher Rechtsgrundlage er in die Tasche der sog. Steuerpflichtigen greift. Wenn das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) immer wieder betont, die Steuerpflichtigen dürften ihre Verhältnisse so gestalten, daß sie möglichst wenig Steuern zahlen müssen, ist dies damit also eigentlich ein Selbstverständlichkeit. Allerdings eine, die den Fiskalpolitikern nicht genehm ist. Also wurde flugs § 42 AO „Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten“, 2008 in der jetzigen Form kreiert. Unangemessen ist dabei nach Meinung des Fiskus jede gewählte, insbesondere zivilrechtliche, Gestaltung, die zu einem „gesetzlich nicht vorgesehen Steuervorteil“ führt. Die zu § 42 AO in den Jahren ergangene Rechtsprechung gehört nicht unbedingt immer zu den Glanzlichtern des Rechtsstaates.

Aber selbst die Dehnbarkeit des § 42 AO hat ihre Grenzen. Also wurde als flankierende Vorschrift § 15 b EStG in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Danach sind Verluste aus sog. Steuerstundungsmodellen grundsätzlich nicht mit anderen Einkünften ausgleichsfähig. Ich muß gestehen, ich grüble schon seit 10 Jahren - solange gibt es die Vorschrift - darüber nach, was denn bloß ein Steuerstundungsmodell ist. Der Abs. 2 des § 15 b hilft nur bedingt weiter. Danach ist ein Steuerstundungsmodell gegeben, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. M.a.W.: wenn der Steuerpflichtige seine Verhältnisse steuerschonend gestaltet. Das darf er zwar nach dem BVerfG, aber wen schert das, wenn das Steueraufkommen maximiert werden soll.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einer Entscheidung vom 17.01.2017 (Az. VIII R 7/13) Erstaunliches hierzu entschieden. Erstaunlich eigentlich nur deshalb, weil der BFH hier einmal einfach das Gesetz angewandt hat. Der BFH stellt nämlich fest, daß in § 15 b EStG von einer „modellhaften“ Gestaltung die Rede ist. Die Vorinstanz hatte diese gesetzliche Einschränkung noch souverän ignoriert. Nach Auffassung des BFH kann die Falle des § 15 b EStG nur dann zuschnappen, wenn der Steuerpflichtige „auf ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15 b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen“ hat. Charakteristisch sei insoweit die Passivität des Steuerpflichtigen. Und dann der entscheidende Satz des BFH: “Beruhen Investitionen nicht auf einem vorgefertigten Konzept, sondern auf einer individuellen Gestaltung, so sind sie weder von § 15b EStG erfasst, noch als vom Gesetz missbilligte Gestaltung i.S. des § 42 Abs. 1 AO zur Vermeidung der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15 b EStG anzusehen“. Die individuelle Konzeption - ggf. durch einen Berater - ist also danach der Königsweg, den der BFH aufzeigt.


Im Anhang finden Sie Ihren persönlichen Website-Check als PDF.

 

 

Mit dem eigenen Flugzeug zu Geschäftsterminen?

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 19.01.2017 (Az. VI R 37/15) wieder einmal ein schönes Beispiel für das gegeben, was ich immer gern „Fiskalrechtsprechung“ nenne. Worüber war zu entscheiden? Der angestellte Geschäftsführer einer GmbH nahm geschäftliche Termine mit seinem privaten Flugzeug wahr, das er selbst steuerte. Die von ihm dafür berechneten Kosten lastete er nicht seinem Arbeitgeber an, sondern machte sie als Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) in seiner Steuererklärung geltend. Wie das Finanzamt reagierte, kann man sich vorstellen. Ich überspringe dies sowie die Entscheidung des hessichen Finanzgerichts (FG) und komme gleich zur Revisionsentscheidung des BFH. Nachdem der BFH sichtlich bedauerte, aufgrund Sachverhaltsbindung durch das Finanzgericht, nicht an der beruflichen Veranlassung der Flugreisen kritteln zu können, wies der urteilende Senat darauf hin, daß es sich bei den Flugkosten um Aufwendungen handeln kann, die die Lebensführung i.S. der §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7, 9 Abs. 5 Satz 1 EStG berühren. Ob ein unangemessener beruflicher Aufwand i.S. dieser Vorschrift vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Steuerpflichtiger — ungeachtet seiner Freiheit, den Umfang seiner Erwerbsaufwendungen selbst bestimmen zu dürfen — angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen haben würde. Immerhin stellt der BFH fest, daß die Wahl des Verkehrsmittels dem Steuerpflichtigen obliegt. Immerhin; das FG hatte dies noch anders gesehen. Aber, der BFH hat noch die Kurve gekriegt, denn Aufwendungen, „die die Lebensführung…berühren“, dürfen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern, „soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind“. Und weiter: „Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen dann, wenn er sie aus persönlichen Motiven tätigt, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre.“ Und das Finanzgericht hatte den Sachverhalt dahingehend, für den BFH bindend, festgestellt, daß der Kläger „aus privaten Motiven, nämlich aus der Freude am Fliegen, das selbst gesteuerte Privatflugzeug für die Dienstreisen anderen Verkehrsmitteln vorgezogen“ hatte. Was nach Berücksichtigung dieser privaten Veranlassung noch an Werbungskosten übrig bleiben könnte, hat sodann wieder das FG zu entscheiden. Ich bin auf diese Entscheidung gespannt.

 

Befreit von aller juristischen Sophistik bleibt übrig: unstreitig der Sache nach entstandene Werbungskosten sollen (teilweise) nicht anerkannt werden, weil der klagende Geschäftsführer Freude an dem von ihm gewählten Verkehrsmittel hatte. Das ist es, was ich mit „Fiskalrechtsprechung“ meine. Man sollte sich also genau überlegen, wie man antwortet, wenn demnächst der Sachbearbeiter oder Betriebsprüfer des Finanzamts fragt, ob man eigentlich gern mit seinem Auto Geschäftsfahrten unternimmt.

 

 

Man freut sich ja schon über Kleinigkeiten


Das Thema „häusliches Arbeitszimmer“ war früher ein beliebtes Streitthema mit dem Finanzamt. Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) in etlichen Entscheidungen in bekannter Manier seine maximal verwaltungsfreundliche Rechtsprechung angewandt hat, ist davon allerdings nicht mehr viel übrig geblieben. 
Aktuell gilt: wer als Arbeitnehmer in seiner Firma keinen Arbeitsplatz zur Verfügung hat, kann für sein Arbeitszimmer bis zu 1.250,00 Euro im Jahr an Werbungskosten steuerlich geltend machen. Wenn das häusliche Arbeitszimmer der Mittelpunkt der beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit ist, können die Kosten unbeschränkt abgezogen werden. Letzteres trifft allenfalls bei Selbstständigen zu, die zu Hause arbeiten. Wird aber das – trotz aller Hürden anzuerkennende – Arbeitszimmer zu mehr als 10 % auch privat genutzt, so ist keine Aufteilung vorzunehmen, sondern der Abzug der Kosten ist vollständig ausgeschlossen (BFH, Beschluss vom 27.07.2015, Az. GrS 1/14). Das ist Fiskalrechtsprechung in Reinkultur.
Angesichts dieser rigoros steuerzahlerfeindlichen Rechtsprechung erstaunen zwei jüngst ergangene Entscheidungen des BFH vom 15.12.2016 (Az. VI R 53/12 und VI R 86/13). Man glaubt es kaum, aber der BFH ist hier von seiner bisherigen objektbezogenen Betrachtungsweise, zugunsten der klagenden Steuerpflichtigen abgewichen. Bislang war es Auffassung des BFH, daß die Grenze von 1.250,00 € je Arbeitszimmer, also objektbezogen, gilt. In den beiden Entscheidungen ist der BFH zu der Erkenntnis gelangt, daß der Betrag von 1.250,00 € sich auf den Steuerpflichtigen, der das Arbeitszimmer nutzt, bezieht. Nutzen z.B. beide Ehegatten dasselbe Arbeitszimmer und liegt bei jedem die Voraussetzung des Arbeitszimmerabzuges vor, so kann das Arbeitszimmer mit insgesamt 2 mal 1.250,00 € in Anspruch genommen werden. Ja, man staunt, denn wirklich konsequent ist das nicht. Liest man die beiden Urteile, stellt man fest, daß die Kläger im ersten Fall ein Lehrerehepaar und im zweiten Fall die dort klagenden Eheleute Mitarbeiter eines Landkreises waren. Eingedenk dessen bin ich dann doch nicht mehr so erstaunt über die beiden Urteile.

 

 

Man darf sich ja mal irren


Die Bestandskraft von Steuerbescheiden ist eine heilige Kuh; jedenfalls solange sich das Finanzamt hierauf beruft. Will ein Steuerpflichtiger einen solchen Bescheid ändern lassen, hängen die Hürden sehr hoch. Im umgekehrten Fall, falls also das Finanzamt bestandskräftige Bescheide ändern will, steht eine breite Palette von Änderungsmöglichkeiten zur Verfügung.  Die Vorschrift, bei der sich das Gefieder des rechtsstaatlich (aus-)gebildeten am meisten sträubt, ist § 129 AO. Nach dieser Vorschrift können u.a. bestandskräftige Steuerbescheide berichtigte werden, falls dem FA beim Erlass eines Verwaltungsakts Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, unterlaufen sind. Die „offenbaren Unrichtigkeiten“ haben sich in der Praxis – leider auch der Finanzgerichte – zu einem Universalmittel entwickelt, fast jede Form des Verwaltungsschluderns zu korrigieren. Daß die „offenbaren Unrichtigkeiten“ nach der gesetzlichen Regelung, den „Rechen- und Schreibfehlern“ vergleichbar sein müssen, also gleichsam mechanischen Fehlern, ficht dabei nur noch die an, die sich daran erinnern, daß  rechtsstaatliche Prinzipien auch im Steuerrecht gelten – sollten-.
Um hier einen Hauch von Chancengleichheit einzuführen, hat uns der Gesetzgeber mit dem ab dem 1.1.2017 geltenden § 173a AO beglückt. Nach dieser Vorschrift, die für alle nach dem 31.12.2016 erlassenen Steuerbescheide gilt, sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind. Dem geneigten Leser fällt auf, daß dies zwar ähnlich wie in § 129 AO klingt, aber der Hinweis auf  „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ fehlt. Sieht  man sich die Gesetzesmaterialien und die Stellungnahmen der Finanzverwaltung an, stellt man fest, daß dies kein Zufall, sondern Absicht ist. Die Vorschrift soll danach auf ihren absoluten Kernbereich reduziert werden. Ob dies, angesichts der ausufernden Rechtsprechung zu § 129 AO haltbar sein wird, wage ich zu bezweifeln. Bis diese Fragen höchstrichterlich entschieden sind, sollte man § 173a AO so verstehen und anwenden, wie dies die Rechtsprechung mit § 129 AO tut, man sollte die Vorschrift extensiv auslegen.

 

 

 

„Fake-News“ und Steuerrecht

 

Immer wenn unsere regierungsnahen Qualitätsjournalisten, in konzertierter Aktion mit den etablierten Parteien, aus heiterem Himmel eine Diskussion vom Zaun brechen, wittere ich Unrat. Zuletzt wieder einmal bei den sog. „Fake-News“, die es zu verhindern gilt, da sich angeblich zunehmend Leute in sozialen Medien unwahr oder hetzerisch äußern. Das müsse man mit Bußgeldern und Strafdrohungen, nicht nur gegen die sich Äußernden, sondern auch gegen Facebook & Co., ahnden. Diskutiert wird jetzt über eine - wahrscheinlich regierungsnahe - Kommission, die über den Wahrheitsgehalt solcher „News“ wachen soll. Die Einrichtung eines „Ministeriums für Wahrheit“ wurde noch nicht verlautbart; kann aber ja noch kommen.


Ist es eigentlich ein Zufall, daß diese Debatte losgetreten wird, nachdem die technischen Möglichkeiten den Menschen die Möglichkeit geben, sich öffentlichkeitswirksam zu äußern, noch dazu unzensiert? Sehen unsere Regierenden damit etwa ihr Monopol auf Verbreitung von „Fake-News“ gefährdet? Die Liste der Äußerungen, gerade der diversen Bundesfinanzminister, die Chancen auf Top-Plazierungen einer „Fake-News“-Hitliste hätten, ist bekanntlich lang. Oder geht es am Ende gar nicht um „News“, um Tatsachen, sondern sollen Meinungsäußerungen zu unliebsamen Themen unterbunden werden? Das bei Politikern beliebte Vermischen von „Fake-News“ mit „Hetze“ läßt dies vermuten. Die Grenze zwischen Tatsachen- und Meinungsäußerung kann jedenfalls eng sein. Bei ein wenig bösem Willen des Gesetzgebers erleben wir dann vielleicht verblichen geglaubte Zeiten, in denen die Menschen erst einmal über die Schulter sahen, bevor sie ihre Meinung sagten. Da mag sich dann die Dame im Kanzleramt wieder richtig heimisch fühlen, bei mir kommt Angst um die Reste von Meinungsfreiheit in diesem Land hoch. Ist die „Schere im Kopf“ denn wirklich die Wunschvorstellung aller Politiker?


Was das mit Steuerrecht zu tun hat? Sehr viel. Es gibt seit Jahren Versuche der Politik, steuerliche Berater mit der Keule des Strafrechts („Beihilfe zur Steuerhinterziehung“) zur Raison zu bringen. Zunehmend finden sich Richter, die das mittragen. Das Steuerrecht bietet ein zusätzliches weites „Fake-News“-Betätigungsfeld, die kritische Auseinandersetzung mit der Fiskalverwaltung zu kriminalisieren.

 

 

 

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